SlovoKult ::
Lyrik
SlovoKult::Gelegentliches Gedicht / Casual Poem
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SlovoKult::Gelegentliches Bild / Casual Picture
(wir wollten es wöchentlich, aber leider haben wir keine Möglichkeiten und Kapazitäten dafür)
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SlovoKult::Gelegentliches Bild / Casual Picture
(wir wollten es wöchentlich, aber leider haben wir keine Möglichkeiten und Kapazitäten dafür)
Gorana Mitroviќ
Love thieves
Unter dem Himmel der Großstädten
finde ich saubere Luft für die Gedanken
mit Nahrung und Gerüchen, stillschweigend
streichle ich mein Verlangen nach Abtrennung
taste ich an, wühle ich durch und hole heraus,
in der Dunkelheit, im Verborgenen der Parallelwelten,
Weisheiten
die ich mit keinem teile,
die Welt mit Schleier über den Augen
(tastet sich durch die eigenen Überzeugungen)
ich bin ein einsamer Nudist am Ufer der entblößten Gefühle
es ist kalt,
komm mich mit der Zunge streicheln,
während da, wo ich am wärmsten bin,
deine Hüften sich zermalmen
während da, wo meine Quelle ist,
deine Hände Kommata zeichnen
und ich mich durch den Wirbel verwurzle
im Boden aus Wünschen und Frieden
ich kenne die Einheit der
eigenen Kraft, etwas was
man keinem erzählen vermag, das aber
an der Umarmung des Alls grenzt,
meine Wurzeln, Wirbel und Verstand – Statik für die Zukunft
für das Lächeln der Liebe
Belgrad, März 2015
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
(Aus dem Gedichtband „Eine Sitzbank zwischen Welten“- „Клупа меѓу светови“, Или-Или, Skopje, 2016)
::Illustration::Silvia Lorenz::Soft City::2017::Ölkreide auf Papier::21x29,5cm::
Ana Golejshka
*
Der Mutterleib
ist ein Weltall
wir, in Raumanzug aus Haut und Zellen
mit Schlauch – die Nabelschnur
nah an allen Sternen
im verdunkelten und wunderlichen Raum
werden geboren
um dort, irgendwann und irgendwo
Astronauten des eigenen
Lebens zu werden
rege gehen wir los mit einem Schritt
klein für uns
groß für die Menschheit vor uns
wachsen wir und mutig heben wir empor
wieder
in den Mutterleib
mit Haut und Zellen
Schlauch – Nabelschnur schon längst gelöst
im verdunkelten und wunderlichen Raum
sterben wir
und so, bis uns jemand aufschreibt.
Aus dem Makedonischen::Elizabeta Lindner
Bild::Dorit Trebeljahr, Seltene schwarze Trichterform::mehr:: Kunst von Dorit Trebeljahr
Gjoko Zdravevski
dedicar icaral
wie kannst du dich dir
selbst
den anderen
erklären
wie kannst du deine
widersrpüche
die inneren zügel
die dialektik deines wesens
erklären
wie kannst du harmonie finden
zwischen schwarz und weiß
zwischen dem anfang und dem ende
des kreises
zwischen dem ersten und dem letzten
haus
wie den mond mit der sonne verbinden
wie kannst du aus der stadt ein kloster
und aus deinem körper einen tempel machen
wie kannst du unter menschen gehen
wie kannst du allein mit dir selbst bleiben
ruhig
wie kannst du dem wind
aus fremden worten
aus fremden anschauungen
der welt widerstehen
wie kannst du keinen stein werfen
verschweigen
am einfachsten ist es
mit einem wink alles abzutun
lächeln zu können
als hättest du alles verstanden
dich selbst
die welt
in dir
und außerhalb
und deine ängste
und die eigenen träume
und die abgründe
und die spitzen deiner berge
wie kannst du das meer beruhigen
die wolken vertreiben
leer werden
völlig
leer
durchsichtig
dass du
dich selbst durchschaust
Aus dem Makedonischen::Elizabeta Lindner
Bild: Frank Diersch, Der Sohn, 2015
15.06.16
Aleksandra Dimitrova
Für dich
Ich bereite ihn lange vor
unermüdlich bedecke ich ihn
Mit Düften
Mit Geschmack
Mit Geräuschen
Ich bemale ihn mit Unmengen von Staub
Mache ihn unbescheiden weich
Ich entferne die Abdrücke
Von jedermanns Daumen
Erfinderisch beschrifte ich ihn mit einem neuen Text
Meinen Bauch
Nur für dich
Aus dem Makedonischen::Ksenija Čočkova
Aus dem Gedichtband "Barbies Aquarium", Blesok Skopje, 2009
Gedichte auf Deutsch@SlovoKult
Aleksandra Dimitrova@Blesok - English
Makedonski/Македонски
SlovoKult::Gelegentliches Bild / Casual Picture
15.06.16
Katrin Salentin, Fehlen, 2010
(Klick::Großes Bild)
01.06.16
Jovica Ivanovski
Entscheidung – endgültig
Mir sind alle scheißegal.
Ich werde den Leuchtturm ausschalten und
in meinem Familienhafen ankern.
Die meisten Pseudokumpel –
doppelzüngig, verschlossen, verborgen,
sollen zu Freunden heranwachsen,
die sich immer weiter von mir entfernen
und schließlich kaum mehr zu sehen sein werden –
mitten auf der Meeresoberfläche.
Und wenn ich sie dann mit erhobenen Händen sehe,
werde ich nicht wissen, ob sie mir zuwinken
oder nur ertrinken.
Aus dem Makedonischen::Elizabeta Lindner
Weitere Gedichte von Jovica Ivanovski auf deutsch::
SlovoKult
Makedonski, Blesok 67-68
English, Blesok 67-68
SlovoKult::Wöchentliches Bild / Weekly Picture
01.06.16

Maja Kirovska::Blood is thicker than water, the water is red, red is a color, Installation, 2013
Boshfest
22.05.16
Kata Kjulavkova
Die große Mutter
„Ich bin sie.
Sitze ruhig mit gekreuzten Beinen,
meine Hüften tragen die Last der Lebensschöpfung
sind derart breit geworden
dass sie sich von mir abgetrennt haben
und nicht mehr nur meine sind und nicht nur hier.
Die ganze Welt mein Zuhause.
Ebenso:
ich habe die Macht
zur selben Zeit an mehreren Orten zu sein.
Ständig im Austausch mit der Erotik
um eine lebendige, aber sterbliche Welt zu schaffen
- werde ich zum Buch der Veränderungen
ich wechsle meinen Namen, tausche die Symbole
und die Sagen aus, lege die Menschen ab
ändere das Casting
die Rollen aber bleiben!
Ich bin diejenige, die mit dem Geistigen spricht,
der das Weltliche entspricht:
Erde und Meer, Luna und Himmelsgewölbe!
Oh, welcher Widerspruch:
eine Frau zu sein, das Haupt der Fruchtbarkeit
und dabei ein negatives, passives
Vorzeichen zu tragen, ein archetypisches Minus
rhythmische Ausschnitte
aus dem Tod und dem Leben!
Wer soll denn geben, außer dem, der hat?
Wer soll denn verlieren, außer dem,
der etwas zu verlieren hat?
Ich, Matrix, Mutterleib, Gebärmutter,
müde, mündige, muntere Matrone
aus der Anderen Welt
(nein, diese war mir nie genug!)
trage dir an:
geh ins Meer
denk nicht an die Ohnmacht
denn du weißt nie
wie lange du durchhalten kannst
im Schmerz wie auch im Genuss
schwimm soweit du sehen kannst
und sieh weiter, immer weiter
ich bin’s, die auf dem Hügel nachdenklich erzählt,
die in ihrer Muttersprache spricht
(oh, welche Erleichterung, welche Gemütlichkeit!)
und dir die Kraft
und nicht den Trost gibt!
Später wirst du über meinen Rissen rätseln
über der unterbrochenen Schicksalslinie,
zusammengefasst in den 64 Hexagrammen des Änigmas
und er wird dem Rebus einzelne
präzise, parallele, prosaische,
positive Striche hinzufügen.
Eine männliche Synopsis!“
Aus dem Makedonischen (2009) von Elizabeta Lindner
Mehr Gedichte von Kata Kjulavkova:
SlovoKult
Das Gedicht (und weitere Gedichte) in anderen Sprachen bei Blesok:
Makedonski
English
13.05.2016
Boško Bozadžievski (1981-2008)
An T. S. Eliot
und was nun, Eliot?
was nun, Thomas?
S.?
also
was sagst du jetzt?
die Welt endet mit einem Knall
nicht mit Jammern
wozu ist in der Lage jetzt
dein göttlich-depressiver Stil?
jammere jetzt in jenem deinem
für den Tod geträumtem Königreich
jammere all zu lange, jammere vergeblich jetzt
jammere aus deinem toten Grab
genauso wie du gejammert und geheult hast
zum ersten Mal
als sie dich herauszogen
in der gynäkologischen Praxis in Saint Louis...
warum hast du eigentlich angefangen zu schreiben, Thomas?
Geld?
nein.
Eine Frau?
nein.
du hattest nichts Besseres zu tun.
sie haben dich als Kind sexuell misshandelt.
für die Kunst.
für die Kunst, hm?
wie auch immer...
merke es dir, Thomas...
die Welt verschwindet mit einem Knall
fürchterlichen Knall
nicht mit Jammern
...ich weiß. du wirst sagen
das sei nur eine Metapher
und wirst mich einfach nur
...hohl nennen
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
Boško Bozadžievski war Schauspieler und Lyriker.
Hier findet man zwei großartige Videos (mit Fotos, Audio- und Filmmaterial), die ihm gewidmet sind:
Aus dem Film "Kurze Geschichte eines Engels" von Konstantin Plevnes
An Bobi 2
Und ein Video mit Ausschnitten aus einem meisterhaft absurden und wunderbar gespielten Theaterstücks:
Cabaret 6: Julias Tod und andere Geschichten, Gevgelija 2007
05.05.16
D.A. Lori
Klebrige Worte
Selten sagen wir, was vorher nicht gesagt wurde
Mein Herz bricht und auch meine Zunge.
Gerade wollte ich die Anatomie
der Worte analysieren,
da stockte mein Verstand unter
dem Druck fremder Gedanken und Worte
Es gab früher nichts anderes außer diesen Himmel
Und seither hat sich kaum was verändert
Ich sehe ihn ...
Ein großer fauler Tausendfüßler als Wolke
wird jeden Augenblick meinen Lieblingsstern verschlucken.
Dieser blass-blaue Himmel in endlosem Wiederauferstehen
bringt mir mehr, als ich zu vertragen vermag.
Die Hitze erschlafft mir die Sinne,
Die Luft ist voller klebriger Gedanken,
Klebrige Finger um den klebrigen Stift,
klebrige, klebrige Worte.
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
Original: Македонски/Makedonski
English
Aus dem Gedichtband "Будење во трето лице еднина" - "Aufwachen in dritter Person Singular", Blesok Skopje, 2014
27.04.2016
Igor Isakovski(1970-2014)
Fick dich, Isakovski
(da ist schon ein titel für einen künftigen gedichtband)
fick dich, isakovski (lass uns fortfahren)
du und deine überheblichkeit über den tod
du und deine überheblichkeit über das leben
du und dein spucken auf den alltag
fick dich, isakovski, du und deine
vorstellungen von einer besseren welt
wenn du es schaffst, sogar diese –
so wie sie ist – noch mehr abzufucken.
fick dich, isakovski, unsere kinder
werden niemals deine scheiße lesen
gott sei dank, haben wir leute auf höheren posten
und entsprechende fachkräfte für kluge lösungen
fick dich, isakovski, du und all die deinen
denn, während du auf die heuchler und spießer
spuckst, vermehren wir uns einfach,
pflanzen uns fort (wie verfickte bazillen, würdest du sagen!)
fick dich, isakovski, und mögen sich auch alle dir ähnlichen
ficken – wir werden euch ausmustern und abchecken
im erstbesten augenblick. seid ihr nicht mit uns,
dann seid ihr für immer dagegen.
verfickt nochmal, Isakovski, du schon wieder!
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
Erschienen in: LICHTUNGEN 144
Original:Македонски/Makedonski
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