SlovoKult ::
InterKult
SlovoKult präsentiert interkulturelle Literatur von
Verica Tričković, geb. 1961 in Nerav, Mazedonien, lebt seit 1999 in Isernhagen/Hannover.
Schreibt Lyrik und Erzählungen.
Bibliographie
Tražim neba jedan deo (Ein Stück Himmel), Gedichte, Inorog Bor, 2002.
Lokvanj i pelen (Seerose und Wermut), Gedichte, Brankovo kolo Sremski Karlovci, 2007.
Vertreten mit Lyrik und Kurzgeschichten in verschiedenen Publikationen, in Zeitschriften für Literatur in Bosnien und Herzegowina, Deutschland, England, Kroatien, Mazedonien und Serbien.
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Der Gedichtband "Als rettete mich das Wort" erschien 2011 im Leipziger Literaturverlag
Auszug aus der Rezension von Benjamin Hanke:
"Tričkovićs Gedichte bestechen vor allem durch die Naturbilder voller Harmonie, jene Schönheit heraufbeschwörend, die sich in ihrer Erinnerung manifestiert hat. In deren Romantisierung offenbart sich eine zweite Flucht, eine Flucht vor der Vergangenheit-wie-sie-war hin zur ausmalenden Vorstellung des Ehemaligen, die das Gefühl des Verlustes noch einmal bestärkt."
Lyrik
Das Wort
Das still in mir wohnt
Das mich bewahrt
Beizeiten
Kommt die Kraft
Als rettete mich das Wort
Das verborgen
Mich Tag und Nacht beäugt
Zärtlich und rau
Vertraut und fremd
weitere Lyrik@Lepziger Literaturverlag
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PROSA
NACHMITTAG ZU DRITT (Kurzgeschichte)
Es klingelt. Ich gehe zur Wohnungstür, hebe den Hörer der Sprechanlage ab. Wir laden dich zum Spaziergang ein, sagst du, und ich antworte, ich komme gleich runter.
Wollen wir die Abkürzung nehmen, frage ich. Sie lässt mich vorgehen, sie scheint einverstanden zu sein, du auch. Ich spüre aber, wie dein Gang langsamer wird. Zu zweit sind wir oft da lang gegangen, den Durchgang, den steilen Pfad an dem grünen Heckenzaun, die Straße ohne Zebrastreifen in Sichtweite, vorbei an den Häusern mit reifenden Äpfeln in den Gärten, dann den Kanal mit dem schmierigen Wasser entlang. Bis zum See. Feucht und weich fühlt sich der Kiesweg unter den Schuhsohlen an.
Ich wandere in meinen Gedanken von Raum zu Raum, bin die Erlebende, dann die Betrachterin, stehe an der Schwelle der Geliebten, dann an der Schwelle der Gattin, bin die Betrügende und die Betrogene, die Liebende und die Geliebte.
Am Steg sind Segelboote. Links oder rechts?, fragst du, wir gehen nach rechts.
Sie fragt mich, ob ich in meiner Wohnung ein Wohnzimmer habe, ob ich noch ein eigenes Zimmer habe. Ich sage, ja. Sie schweigt. Sie malt sich ein Zimmer aus, das mein ist, eine Tür, an der Du heimlich klopfst, wartest, gerufen zu werden. Wir schweigen.
Sie versetzt sich in diesen von ihr ausgemalten Raum, ihre Augen sehen mich forschend an. Sie versucht, sich jene Bewegungen, jene Taten vorzustellen, die sich in meinem Zimmer abspielen.
Sie fragt mich, ob ich ein Tagebuch führe. Nein, erwidere ich. Sie will in meine Gedanken eindringen, um dort nach einer Spur zu suchen, die auf deine Anwesenheit deutet.
Sie geht dicht neben mir, streift mit den Fingern meine Haut, die zwischen Hüfthose und kurzem Top frei bleibt. Du läufst so frei, sagt sie. Aus ihren Augen schaut mich Skepsis, schaut mich Misstrauen an. Wir schweigen. Sie würde mir jedes Kleiderstück abnehmen, jeden Teil meines Körpers durchsuchen, um festzustellen, ob du schon mal da warst.
Du schweigst. Ich gehe mit meinen Gedanken von Raum zu Raum, in jedem Winkel halte ich an, aus jedem Winkel ist mein Blick auf dich gerichtet. Ich betrachte dich aus dem duftenden Raum der Geliebten, aus jedem dieser Winkel meines Hineinversetzens spüre ich Wut kreisen. In mir gewittert es.
Ich schweige. Wie im Dunkeln tastend, sammle ich all das Ertastbare, hastend und ruhig, gleichzeitig, es gleitet mir nichts weg, ohne eine Spur der Regung bewegt sich das Empfangene, es reicht gerade, es aufzufangen und im Auffangraum abzulegen. Im Nachhinein, wenn ich allein bin, werde ich das Übernommene herausholen, es vor mich hinlegen, aus all dem wird sich ein Abbild formen. Und wenn sich mein Blick am neuen Bild fängt, werde ich nicht erstaunt sein, es wird ein Bild, das an irgendetwas erinnert, ein Bild, das mir ganz vertraut ist. Ich sammle all das Bewegende, morgen wird jedes Einzelne eine Erinnerung sein, und wenn es ein Allgedächtnis gäbe, wenn alle Erinnerungen, deren Geschmack, deren Gerüche wir aufnehmen, in ihm münden sollten, dann würde ihm nichts entrinnen.
Die Sonne wärmt immer noch. Eine Frau und ein Mann auf Fahrrädern kommen uns entgegen, wir gehen dem rechten Pfadrand folgend. Was hast du alles in deiner Handtasche, fragt sie mich, die Hand darauf drückend, ich hole die Flasche mit dem Orangensaft heraus, mache sie auf und trinke. Wir bleiben stehen. Ich reiche ihr das orangefarbene Getränk, sie wagt es, sie trinkt. Eine größere Flasche hattest du nicht?!, sagst du, lächelst in die Ferne, irgendwo dort treffen sich unsere Blicke, ich erwidere dein Lächeln. Sie reicht dir die Flasche, danke, sagst du, trinkst und reichst sie mir. Am liebsten würde sie meine Tasche durchsuchen, nach einer Spur, nach einem Notizzettel, nach einem Zeichen, das auf dich, auf deine Anwesenheit hindeutet.
Du stiehlst mir einen Blick und flüchtest. Magst du Kino, fragt sie mich. Nicht besonders, erwidere ich. Es gibt Frauenkino, sagt sie, du starrst sie an. Es heißt Lady´s Night, sage ich, ein paar Filme habe ich mit Petra, einer Freundin, schon gesehen. Männer dürfen auch mit, sage ich zu dir, für Frauen ist nur der Eintritt ermäßigt, als Präsent gibt es ein Glas Sekt und ein Exemplar von Gala. Ich kaufe mir aber lieber ein Buch, sage ich zu ihr. Dann ist ja klar, warum ihr euch so gut versteht, sagt sie.
Wir schweigen. Wie gefällt dir das neue Buch, frage ich dich. Du sagst, ich kann es noch nicht sagen, ich habe es erst angefangen. Sie nennt den Titel, sie kennt jeden Titel der Bücher, die wir lesen.
Ich spüre, wie schnell ich mich vor ihr verschließe, wie vor jemandem, der versucht, in mein Inneres einzudringen. Es ist kein Wunder, dass du dein Auto nicht wiedergefunden hast, sagt sie zu dir, neben einer schönen Frau vergisst man schnell, wo man geparkt hat. Du lachst, du sagst, ein alter Mann eben! Ich schaue zuerst dich und dann sie an. Findest du dich nicht hübsch, fragt sie mich, ich erwidere, ich will nicht klagen, und du lachst, wir lachen.
Wieder stoßen wir auf die Segelboote, wir haben den See umrundet. Wir können weiter- oder zurückgehen, sage ich. Oder uns in die Sonne setzen, sagt sie. Wir setzen uns auf eine Bank, wir blicken weit aufs Wasser.
Wir stehen vor der Eingangstür. Es ist doch schöner, sagt sie, als allein zu spazieren. Ja, erwidere ich. Sie drückt sich an mich, wir sehen uns wieder, sagt sie. Ich wünsche dir einen schönen Abend, sagst du, rasch berühren sich unsere Gesichter. Ich wünsche dir auch einen schönen Abend, ich wünsche euch beiden einen schönen Abend, sage ich, schließe die Eingangstür auf und höre sie hinter mir zufallen.
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Verica Tričković, geb. 1961 in Nerav, Mazedonien, lebt seit 1999 in Isernhagen/Hannover.
Schreibt Lyrik und Erzählungen.
Bibliographie
Tražim neba jedan deo (Ein Stück Himmel), Gedichte, Inorog Bor, 2002.
Lokvanj i pelen (Seerose und Wermut), Gedichte, Brankovo kolo Sremski Karlovci, 2007.
Vertreten mit Lyrik und Kurzgeschichten in verschiedenen Publikationen, in Zeitschriften für Literatur in Bosnien und Herzegowina, Deutschland, England, Kroatien, Mazedonien und Serbien.
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Der Gedichtband "Als rettete mich das Wort" erschien 2011 im Leipziger Literaturverlag
Auszug aus der Rezension von Benjamin Hanke:
"Tričkovićs Gedichte bestechen vor allem durch die Naturbilder voller Harmonie, jene Schönheit heraufbeschwörend, die sich in ihrer Erinnerung manifestiert hat. In deren Romantisierung offenbart sich eine zweite Flucht, eine Flucht vor der Vergangenheit-wie-sie-war hin zur ausmalenden Vorstellung des Ehemaligen, die das Gefühl des Verlustes noch einmal bestärkt."
Lyrik
Das Wort
Das still in mir wohnt
Das mich bewahrt
Beizeiten
Kommt die Kraft
Als rettete mich das Wort
Das verborgen
Mich Tag und Nacht beäugt
Zärtlich und rau
Vertraut und fremd
weitere Lyrik@Lepziger Literaturverlag
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PROSA
NACHMITTAG ZU DRITT (Kurzgeschichte)
Es klingelt. Ich gehe zur Wohnungstür, hebe den Hörer der Sprechanlage ab. Wir laden dich zum Spaziergang ein, sagst du, und ich antworte, ich komme gleich runter.
Wollen wir die Abkürzung nehmen, frage ich. Sie lässt mich vorgehen, sie scheint einverstanden zu sein, du auch. Ich spüre aber, wie dein Gang langsamer wird. Zu zweit sind wir oft da lang gegangen, den Durchgang, den steilen Pfad an dem grünen Heckenzaun, die Straße ohne Zebrastreifen in Sichtweite, vorbei an den Häusern mit reifenden Äpfeln in den Gärten, dann den Kanal mit dem schmierigen Wasser entlang. Bis zum See. Feucht und weich fühlt sich der Kiesweg unter den Schuhsohlen an.
Ich wandere in meinen Gedanken von Raum zu Raum, bin die Erlebende, dann die Betrachterin, stehe an der Schwelle der Geliebten, dann an der Schwelle der Gattin, bin die Betrügende und die Betrogene, die Liebende und die Geliebte.
Am Steg sind Segelboote. Links oder rechts?, fragst du, wir gehen nach rechts.
Sie fragt mich, ob ich in meiner Wohnung ein Wohnzimmer habe, ob ich noch ein eigenes Zimmer habe. Ich sage, ja. Sie schweigt. Sie malt sich ein Zimmer aus, das mein ist, eine Tür, an der Du heimlich klopfst, wartest, gerufen zu werden. Wir schweigen.
Sie versetzt sich in diesen von ihr ausgemalten Raum, ihre Augen sehen mich forschend an. Sie versucht, sich jene Bewegungen, jene Taten vorzustellen, die sich in meinem Zimmer abspielen.
Sie fragt mich, ob ich ein Tagebuch führe. Nein, erwidere ich. Sie will in meine Gedanken eindringen, um dort nach einer Spur zu suchen, die auf deine Anwesenheit deutet.
Sie geht dicht neben mir, streift mit den Fingern meine Haut, die zwischen Hüfthose und kurzem Top frei bleibt. Du läufst so frei, sagt sie. Aus ihren Augen schaut mich Skepsis, schaut mich Misstrauen an. Wir schweigen. Sie würde mir jedes Kleiderstück abnehmen, jeden Teil meines Körpers durchsuchen, um festzustellen, ob du schon mal da warst.
Du schweigst. Ich gehe mit meinen Gedanken von Raum zu Raum, in jedem Winkel halte ich an, aus jedem Winkel ist mein Blick auf dich gerichtet. Ich betrachte dich aus dem duftenden Raum der Geliebten, aus jedem dieser Winkel meines Hineinversetzens spüre ich Wut kreisen. In mir gewittert es.
Ich schweige. Wie im Dunkeln tastend, sammle ich all das Ertastbare, hastend und ruhig, gleichzeitig, es gleitet mir nichts weg, ohne eine Spur der Regung bewegt sich das Empfangene, es reicht gerade, es aufzufangen und im Auffangraum abzulegen. Im Nachhinein, wenn ich allein bin, werde ich das Übernommene herausholen, es vor mich hinlegen, aus all dem wird sich ein Abbild formen. Und wenn sich mein Blick am neuen Bild fängt, werde ich nicht erstaunt sein, es wird ein Bild, das an irgendetwas erinnert, ein Bild, das mir ganz vertraut ist. Ich sammle all das Bewegende, morgen wird jedes Einzelne eine Erinnerung sein, und wenn es ein Allgedächtnis gäbe, wenn alle Erinnerungen, deren Geschmack, deren Gerüche wir aufnehmen, in ihm münden sollten, dann würde ihm nichts entrinnen.
Die Sonne wärmt immer noch. Eine Frau und ein Mann auf Fahrrädern kommen uns entgegen, wir gehen dem rechten Pfadrand folgend. Was hast du alles in deiner Handtasche, fragt sie mich, die Hand darauf drückend, ich hole die Flasche mit dem Orangensaft heraus, mache sie auf und trinke. Wir bleiben stehen. Ich reiche ihr das orangefarbene Getränk, sie wagt es, sie trinkt. Eine größere Flasche hattest du nicht?!, sagst du, lächelst in die Ferne, irgendwo dort treffen sich unsere Blicke, ich erwidere dein Lächeln. Sie reicht dir die Flasche, danke, sagst du, trinkst und reichst sie mir. Am liebsten würde sie meine Tasche durchsuchen, nach einer Spur, nach einem Notizzettel, nach einem Zeichen, das auf dich, auf deine Anwesenheit hindeutet.
Du stiehlst mir einen Blick und flüchtest. Magst du Kino, fragt sie mich. Nicht besonders, erwidere ich. Es gibt Frauenkino, sagt sie, du starrst sie an. Es heißt Lady´s Night, sage ich, ein paar Filme habe ich mit Petra, einer Freundin, schon gesehen. Männer dürfen auch mit, sage ich zu dir, für Frauen ist nur der Eintritt ermäßigt, als Präsent gibt es ein Glas Sekt und ein Exemplar von Gala. Ich kaufe mir aber lieber ein Buch, sage ich zu ihr. Dann ist ja klar, warum ihr euch so gut versteht, sagt sie.
Wir schweigen. Wie gefällt dir das neue Buch, frage ich dich. Du sagst, ich kann es noch nicht sagen, ich habe es erst angefangen. Sie nennt den Titel, sie kennt jeden Titel der Bücher, die wir lesen.
Ich spüre, wie schnell ich mich vor ihr verschließe, wie vor jemandem, der versucht, in mein Inneres einzudringen. Es ist kein Wunder, dass du dein Auto nicht wiedergefunden hast, sagt sie zu dir, neben einer schönen Frau vergisst man schnell, wo man geparkt hat. Du lachst, du sagst, ein alter Mann eben! Ich schaue zuerst dich und dann sie an. Findest du dich nicht hübsch, fragt sie mich, ich erwidere, ich will nicht klagen, und du lachst, wir lachen.
Wieder stoßen wir auf die Segelboote, wir haben den See umrundet. Wir können weiter- oder zurückgehen, sage ich. Oder uns in die Sonne setzen, sagt sie. Wir setzen uns auf eine Bank, wir blicken weit aufs Wasser.
Wir stehen vor der Eingangstür. Es ist doch schöner, sagt sie, als allein zu spazieren. Ja, erwidere ich. Sie drückt sich an mich, wir sehen uns wieder, sagt sie. Ich wünsche dir einen schönen Abend, sagst du, rasch berühren sich unsere Gesichter. Ich wünsche dir auch einen schönen Abend, ich wünsche euch beiden einen schönen Abend, sage ich, schließe die Eingangstür auf und höre sie hinter mir zufallen.
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