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Prosa
Vlada Urošević: Die siebte Seite des Würfels. 121 Kurzprosastücke. Skopje 2010.
Auszug
Aus dem Makedonischen von Benjamin Langer
Ungeheuer im Keller
Als du eines Nachmittags den Keller betrittst, entdeckst du, dass sich darin Ungeheuer angesiedelt haben. Du entscheidest dich umgehend, sie von dort zu verjagen: Ihre Anwesenheit im Haus ist unhygienisch, und den Platz im Keller benötigst du für andere Dinge. Im Grunde genommen ist ein Keller mit Ungeheuern ein unnützer Keller – du kannst nichts Brauchbares darin lagern.
Du bereitest dich grundlegend auf eine solche Unternehmung vor: Bürsten und Besen, brennende Lumpen und Waschpulver. Auf einmal so viel Arbeit!
Als du in die Dunkelheit hinabsteigst, erwarten dich das bösartige Leuchten der weit aufgerissenen Augen und das heimtückische Zischen der gespaltenen Zungen. Doch die Angst hält nur einen Augenblick lang an: Dann nimmst du die Arbeit in Angriff.
Was für ein Gekreisch und Geschrei, was für ein Krallengescharre und Flügelgeflatter! Während du mit dem Besen fuchtelst, wirbeln sie um dich herum, die mit Schuppen bedeckten Schwänze, die mit zwei Zahnreihen versehenen Schnäbel, die Ohren, hinter denen kleine Hörnchen hervorspitzen. Als sie merken, dass sie dir keine Angst einjagen können, versuchen sie, Mitleid hervorzurufen, kriechen und winseln. Aber du hast kein Erbarmen: Der Keller gehört nun mal dir, und du brauchst ihn für allerhand nützliche Dinge.
Schließlich sind die Ungeheuer vertrieben, der Keller gesäubert. Nur ein paar graue Federchen zeugen von dem Drama, das sich bis vor kurzem hier abgespielt hat.
Jetzt kannst du ins Bett gehen und dich ausruhen. Du bist so müde, dass der Schlaf sofort zu dir kommt. Doch nach einigen Augenblicken wachst du verschwitzt auf. Du begreifst, dass alles vorbei ist, alles zu Ende, und dass es von nun an kein Heilmittel mehr gibt. Wer hätte denn annehmen können, dass sie sich nach ihrer Flucht aus dem Keller ausgerechnet in deinen Träumen niederlassen würden?
Folgen der Unachtsamkeit
Er hätte seinen Traum nicht seiner Frau erzählen sollen.
In dem Traum, der sich in seinen Nächten ausgesprochen oft wiederholte, stieg er mit Hilfe eines Seils an einer hohen Mauer herunter. Es war ein Teil irgendeiner Festung, eine Bastion einer mittelalterlichen Burg. Im Traum ließ er sich am Seil herab, während er seine Füße gegen die Mauer stemmte und versuchte, nicht in den furchtbaren Abgrund unter sich zu blicken. Das dauerte immer ausgesprochen lange und war sehr anstrengend und aufregend.
Er hätte seinen Traum nicht seiner Frau erzählen sollen, denn schon am nächsten Abend, als er gerade begonnen hatte, sich am Seil herunterzulassen, erschien eine Frauenhand im kleinen dunklen Fenster in der Mauer und näherte das Messer, das sie hielt, dem Seil.
Er schrie auf und stürzte in den Abgrund. Am Morgen fand man ihn tot auf, aus dem Bett gefallen. Ein Herzschlag, erklärten die Ärzte.
Alles war leicht erklärlich – bis auf die Anwesenheit des Messers neben dem Bett seiner Frau, aber außer ihr nahm es niemand auch nur wahr.
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Auszug
Aus dem Makedonischen von Benjamin Langer
Ungeheuer im Keller
Als du eines Nachmittags den Keller betrittst, entdeckst du, dass sich darin Ungeheuer angesiedelt haben. Du entscheidest dich umgehend, sie von dort zu verjagen: Ihre Anwesenheit im Haus ist unhygienisch, und den Platz im Keller benötigst du für andere Dinge. Im Grunde genommen ist ein Keller mit Ungeheuern ein unnützer Keller – du kannst nichts Brauchbares darin lagern.
Du bereitest dich grundlegend auf eine solche Unternehmung vor: Bürsten und Besen, brennende Lumpen und Waschpulver. Auf einmal so viel Arbeit!
Als du in die Dunkelheit hinabsteigst, erwarten dich das bösartige Leuchten der weit aufgerissenen Augen und das heimtückische Zischen der gespaltenen Zungen. Doch die Angst hält nur einen Augenblick lang an: Dann nimmst du die Arbeit in Angriff.
Was für ein Gekreisch und Geschrei, was für ein Krallengescharre und Flügelgeflatter! Während du mit dem Besen fuchtelst, wirbeln sie um dich herum, die mit Schuppen bedeckten Schwänze, die mit zwei Zahnreihen versehenen Schnäbel, die Ohren, hinter denen kleine Hörnchen hervorspitzen. Als sie merken, dass sie dir keine Angst einjagen können, versuchen sie, Mitleid hervorzurufen, kriechen und winseln. Aber du hast kein Erbarmen: Der Keller gehört nun mal dir, und du brauchst ihn für allerhand nützliche Dinge.
Schließlich sind die Ungeheuer vertrieben, der Keller gesäubert. Nur ein paar graue Federchen zeugen von dem Drama, das sich bis vor kurzem hier abgespielt hat.
Jetzt kannst du ins Bett gehen und dich ausruhen. Du bist so müde, dass der Schlaf sofort zu dir kommt. Doch nach einigen Augenblicken wachst du verschwitzt auf. Du begreifst, dass alles vorbei ist, alles zu Ende, und dass es von nun an kein Heilmittel mehr gibt. Wer hätte denn annehmen können, dass sie sich nach ihrer Flucht aus dem Keller ausgerechnet in deinen Träumen niederlassen würden?
Folgen der Unachtsamkeit
Er hätte seinen Traum nicht seiner Frau erzählen sollen.
In dem Traum, der sich in seinen Nächten ausgesprochen oft wiederholte, stieg er mit Hilfe eines Seils an einer hohen Mauer herunter. Es war ein Teil irgendeiner Festung, eine Bastion einer mittelalterlichen Burg. Im Traum ließ er sich am Seil herab, während er seine Füße gegen die Mauer stemmte und versuchte, nicht in den furchtbaren Abgrund unter sich zu blicken. Das dauerte immer ausgesprochen lange und war sehr anstrengend und aufregend.
Er hätte seinen Traum nicht seiner Frau erzählen sollen, denn schon am nächsten Abend, als er gerade begonnen hatte, sich am Seil herunterzulassen, erschien eine Frauenhand im kleinen dunklen Fenster in der Mauer und näherte das Messer, das sie hielt, dem Seil.
Er schrie auf und stürzte in den Abgrund. Am Morgen fand man ihn tot auf, aus dem Bett gefallen. Ein Herzschlag, erklärten die Ärzte.
Alles war leicht erklärlich – bis auf die Anwesenheit des Messers neben dem Bett seiner Frau, aber außer ihr nahm es niemand auch nur wahr.
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