SlovoKult ::
Spezial
JÜRGEN NENDZA
1957 in Essen geboren, schreibt Gedichte, Erzählungen, Hörspiele und Features und ist als Herausgeber tätig. Für seine Gedichte erhielt er verschiedene literarische Auszeichnungen, u.a. den Lyrikpreis Meran. Zuletzt veröffentlichte er die Gedichtbände „Die Rotation des Kolibris” (2008) und „Apfel und Amsel” (2012).
2014 gab Jürgen Nendza zusammen mit Hajo Steinert die Lyrik-Anthologie Stadtlandfluss heraus.
Vor kurzem erschien bei Poetenladen, Leipzig, das neue Gedichtband von Jürgen Nendza mit einer Auswahl an Gedichten von den 20 Jahren:
Mikadogeäst
Besprechungen:
Süddeutsche Zeitung 22.08.15
Signaturen
Fixpoetry
SWR
In Mazedonien im Verlag Blesok, Skopje, erschien 2014 die dreisprachige Lyriksammlung:
Во некои денови / An manchen Tagen / On Some Days
1957 in Essen geboren, schreibt Gedichte, Erzählungen, Hörspiele und Features und ist als Herausgeber tätig. Für seine Gedichte erhielt er verschiedene literarische Auszeichnungen, u.a. den Lyrikpreis Meran. Zuletzt veröffentlichte er die Gedichtbände „Die Rotation des Kolibris” (2008) und „Apfel und Amsel” (2012).
2014 gab Jürgen Nendza zusammen mit Hajo Steinert die Lyrik-Anthologie Stadtlandfluss heraus.
Vor kurzem erschien bei Poetenladen, Leipzig, das neue Gedichtband von Jürgen Nendza mit einer Auswahl an Gedichten von den 20 Jahren:
Mikadogeäst
Besprechungen:
Süddeutsche Zeitung 22.08.15
Signaturen
Fixpoetry
SWR
In Mazedonien im Verlag Blesok, Skopje, erschien 2014 die dreisprachige Lyriksammlung:
Во некои денови / An manchen Tagen / On Some Days
Zur Vorstellung des Gedichtbandes wurde er von seinem mazedonischen Verlag nach Skopje eingeladen und zusammen mit seiner Übersetzerin sass er eine Stunde auf dem Podium in Lesung und Gespräch (gedolmetscht von Emina Avdic, unterstützt vom Goethe Institut und der Gesellschaft für Deutsch-Mazedonische Freundschaft und Zusammenarbeit)
SK: Für dieses SlovoKult-Spezial, beginnen wir mit der Frage, wie kam Deine Lyrik nach Mazedonien?
Die Übersetzung meiner Gedichte ins Mazedonische habe ich dem Dichter und Verleger Igor Isakovski zu verdanken, der letztes Jahr leider ganz überraschend verstorben ist. Wir lernten uns 2006 bei den Maastricht Poetry International Nights kennen. Wir sprachen über Poesie und unser Leben, Igor immer in Begleitung von Whiskey, ich von anderen Getränken. Wir kamen uns näher, mochten uns. Zwei Jahre später hatten wir im Rahmenprogramm der Poetry Nights eine gemeinsame Lesung. Und ich hatte das Glück, dass eine Auswahl meiner Gedichte inzwischen von Richard Martin ins Englische übersetzt wurde und mein Band "The Chance of the Meadow" vorlag. Igor las die englischen Übersetzungen und sagte: Wir machen ein Buch mit deinen
Gedichten, eine dreisprachige Ausgabe bei Blesok in der Edition EvaTas: mazedonisch, englisch, deutsch. Nicht sofort, sagte er, aber in vier, fünf Jahren. Igor hat Wort gehalten. Phantastisch - er hat mich nach Mazedonien gebracht. Igor war eine imponierende Persönlichkeit, jemand der klare Ziele hatte. Er war ernsthaft, zuverlässig, aber immer auch humorvoll und eben sehr verliebt in Whiskey und Poesie.
Ausschnitt aus dem Gespräch mit Jürgen Nendza (Lesung und Gespräch am 26.05. in Skopje – , über seine Vorstellungen vom Land, das er zum ersten Mal besuchte und zwar in einer Zeit von politischen Spielchen und bürgerlichem Widerstand):
"Die Medien in Deutschland geben allmählich differenziertere Informationen über die Zustände in Mazedonien. Zuerst haben wir über die schrecklichen Auseinandersetzungen in Kumanovo erfahren und vermuteten, es handele dabei um einen Aufstand. Nach und nach würde aber deutlich, dass dieser grausame Vorfall durchaus von der Regierung inszeniert sein könnte und wir fragten uns – warum?
Ich hatte die Gelegenheit, hier in Skopje das Camp der Demonstranten vor dem Regierungsgebäude zu sehen und festzustellen, dass nach neun Jahren unter dieser Regierung, ein friedlicher , aber entschlossener Protest aller Bevölkerungsgruppen gegen dieses autokratische Regime stattfindet", sagte Jürgen Nendza bei der Vorstellung der mazedonischen Übersetzung seines Lyrikbandes in Skopje.
Wir redeten auch über die Features, insbesondere über das neuere mit dem Thema Gedichte im Frauen-KZ Ravensbrück:
Deutschland Funk: Mein Herz schlägt zurück
Und selbstverständlich über seine Lyrik:
Gedichte auf Lyrikline
SK: Für dieses SlovoKult-Spezial, beginnen wir mit der Frage, wie kam Deine Lyrik nach Mazedonien?
Die Übersetzung meiner Gedichte ins Mazedonische habe ich dem Dichter und Verleger Igor Isakovski zu verdanken, der letztes Jahr leider ganz überraschend verstorben ist. Wir lernten uns 2006 bei den Maastricht Poetry International Nights kennen. Wir sprachen über Poesie und unser Leben, Igor immer in Begleitung von Whiskey, ich von anderen Getränken. Wir kamen uns näher, mochten uns. Zwei Jahre später hatten wir im Rahmenprogramm der Poetry Nights eine gemeinsame Lesung. Und ich hatte das Glück, dass eine Auswahl meiner Gedichte inzwischen von Richard Martin ins Englische übersetzt wurde und mein Band "The Chance of the Meadow" vorlag. Igor las die englischen Übersetzungen und sagte: Wir machen ein Buch mit deinen
Gedichten, eine dreisprachige Ausgabe bei Blesok in der Edition EvaTas: mazedonisch, englisch, deutsch. Nicht sofort, sagte er, aber in vier, fünf Jahren. Igor hat Wort gehalten. Phantastisch - er hat mich nach Mazedonien gebracht. Igor war eine imponierende Persönlichkeit, jemand der klare Ziele hatte. Er war ernsthaft, zuverlässig, aber immer auch humorvoll und eben sehr verliebt in Whiskey und Poesie.
Ausschnitt aus dem Gespräch mit Jürgen Nendza (Lesung und Gespräch am 26.05. in Skopje – , über seine Vorstellungen vom Land, das er zum ersten Mal besuchte und zwar in einer Zeit von politischen Spielchen und bürgerlichem Widerstand):
"Die Medien in Deutschland geben allmählich differenziertere Informationen über die Zustände in Mazedonien. Zuerst haben wir über die schrecklichen Auseinandersetzungen in Kumanovo erfahren und vermuteten, es handele dabei um einen Aufstand. Nach und nach würde aber deutlich, dass dieser grausame Vorfall durchaus von der Regierung inszeniert sein könnte und wir fragten uns – warum?
Ich hatte die Gelegenheit, hier in Skopje das Camp der Demonstranten vor dem Regierungsgebäude zu sehen und festzustellen, dass nach neun Jahren unter dieser Regierung, ein friedlicher , aber entschlossener Protest aller Bevölkerungsgruppen gegen dieses autokratische Regime stattfindet", sagte Jürgen Nendza bei der Vorstellung der mazedonischen Übersetzung seines Lyrikbandes in Skopje.
Wir redeten auch über die Features, insbesondere über das neuere mit dem Thema Gedichte im Frauen-KZ Ravensbrück:
Deutschland Funk: Mein Herz schlägt zurück
Und selbstverständlich über seine Lyrik:
Gedichte auf Lyrikline
Interview mit Jürgen Nendza in Skopje, Mazedonien
Meine erste Frage. Sie hatten Gelegenheit gestern und heute Skopje zu sehen. Wie ist Ihr erster Eindruck von der Stadt? Wie wirkt die Stadt auf Sie?
Die Menschen hier sind ausgesprochen freundlich und aufgeschlossen, warmherzig. Die Stadt gefällt mir in vielen Teilen gut, sie ist sehr lebendig, nicht nur im Altstadtbereich. Aber die protzigen Monumentalbauten und Skulpturen halte ich für völlig überproportioniert und architektonisch für fragwürdig. Sie kommen daher wie neue Symbole einer Macht und passen nicht in das Stadtbild und wohl auch nicht zum Selbstbild der Menschen hier. Das ist sehr bedauerlich.
Sie arbeiten auch als Lehrer an einem Gymnasium. Vor kurzem protestierten hier bei uns Studenten, aber auch Schüler, gegen die schlechten Reformen in der Ausbildung. Was ist Ihrer Meinung nach heute im 21. Jahrhundert der beste Weg den Schülern in diesem Alter etwas über die Literatur und die Poesie beizubringen?
Zum einen wäre es wichtig, dass die Schüler etwas über die Geschichte der Literatur erfahren und über die Veränderungen des literarischen und poetischen Schreibens im Laufe der Zeit. Zum anderen wäre es dringend geboten zu zeigen, wie vielfältig, wie pulsierend die zeitgenössische Poesie bei uns ist. Ich denke, das trifft auch auf die Poesie in Mazedonien zu. Die Poesie ist ein Ort, an dem u.a. sich verändernde Lebensgefühle nach einem eigenen sprachlichen Ausdruck suchen und dabei auch das poetische Sprechen verändern. In der Veränderung von poetischen Schreibwesen spiegeln sich gesellschaftliche Umbrüche, trotzdem bleibt die Poesie für mich immer auch Ausdruck eines individuellen, eigensinnigen Wahrnehmens von Lebensumständen und –zusammenhängen, des eigenen Lebens. Zugleich ist Poesie eine Art Gedächtnisspeicher. Und in dieser poetischen Kombination von Gedächtnis und Lebensgefühl könnten Schüler einiges über die Gesellschaft, in der sie leben und über sich selbst erfahren.
Sie arbeiten auch für das Radio, Sie schreiben Features. Wie kann man in der heutigen Zeit der Spektakel und visueller Kultur, das Interesse des Publikums auf die Poesie lenken?
Das ist schwierig zu beantworten, weil sich auch durch die neuen Medien viele Interessenlagen verändert und verschoben haben. Die Poesie richtete sich eigentlich immer an Minoritäten, sie ist nicht mit dem Roman vergleichbar, was zum Beispiel die Auflagenhöhe der Bücher angeht. Interessanterweise ist es so, dass im Internet zahlreiche Poesieforen existieren und viele Leute Gedichte schreiben und sich darüber austauschen, egal, was man von diesen Gedichten halten mag. Ich vermute stark, dass die meisten dieser Autoren mehr Gedichte schreiben als sie lesen. Ich denke, es wäre sehr wichtig, der Poesie, nicht zuletzt der zeitgenössischen Poesie, in den Schulen, in deren Lehrplänen ein größeres Gewicht zu geben. Wünschenswert wäre auch eine stärkere Präsenz in den Feuilletons der Zeitungen oder im Hörfunk. Doch auch wenn sich manches zu Ungunsten der Poesie verschoben haben mag –all das hält einen Dichter hält das nicht vom Schreiben ab.
Ihre Gedichte sind ins Englische, Niederländische und Mazedonische übersetzt worden, in diesen Sprachen liegen Gedichtbände von Ihnen vor. Ist die Übersetzung heutzutage die beste Möglichkeit für den Autor, das eigene Publikum zu finden?
Ich hoffe, dass meine ins Mazedonische übersetzten Gedichte auch einen Leserkreis hier in Skopje und in Mazedonien finden werden. Es ist immer ein Kompliment, eine Auszeichnung, in eine andere Sprache übersetzt zu werden. Die Auseinandersetzung mit den Übersetzern war für mich bisher stets gewinnbringend, weil die Übersetzer eine eigene, kompetente Sicht auf die Gedichte mitbringen und durchaus neue Akzente bei der Übersetzungsarbeit setzen können. In Bezug auf die jeweilige Fremd-Sprache erfährt man viel über die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Sprache; man lernt dazu, auch durch die Sprachfelder der Übersetzungssprache . Interessant ist, dass die Übersetzer bei ihrer Arbeit ein Stück weit auch zum Nachdichter werden. Ob ich nun in Mazedonien ein „eigenes Publikum“ finden werde, kann ich nicht beurteilen. Für mich ist es jedenfalls eine persönliche Bereicherung, dank der Gedichte nach Skopje eingeladen worden zu sein, die Menschen hier kennen zu lernen, mit ihnen zu reden und ihnen meine Gedichte vorstellen zu dürfen.
Auf einer Seite ist die Literaturkritik, auf der anderen Seite das Lesepublikum. Gibt es für Sie persönlich so etwas wie einen idealen Leser?
Einen idealen Leser gibt es für mich nicht. Jeder Leser hat andere Vorlieben, andere Erwartungen. Für mich wäre es schön, wenn ein Leser über meine Gedichte berührt und ein wenig aus seiner Alltagsroutine, aus seiner auch alltagssprachlichen Wahrnehmung herausgerissen werden könnte. Und vielleicht entdeckt der Leser dabei etwas, was er vorher so noch nicht gesehen hat, wird sprachsensibler, ist im positiven Sinne irritiert und fängt an, sich über bestimmte Dinge neu zu verständigen, Vertrautes anders zu sehen und... weiterzulesen.
Das Interview führte Aleksandra Bubevska für A1on
Transkription/Dolmetschen/Übersetzung Elizabeta Lindner
Das Interview auf mazedonisch