SlovoKult ::
Spezial
Interview mit der makedonischen Schriftstellerin Lidija Dimkovska

Lidija Dimkovska ist Dichterin, Schriftstellerin und Übersetzerin. 2001, nach der Veröffentlichung des Gedichtbands „Nobel gegen Nobel“ hat sie sich als Schriftstellern etabliert, nahm mit ihrer Lyrik an zahlreichen Poesiefestivals weltweit teil, was für die Qualität ihres poetischen Ausdrucks spricht.
Die Nominierung des Gedichtbands „Anständiges Mädchen“, erschienen 2010 im Verlag Edition Korrespondenzen in Wien, für den Literatur- und Übersetzerpreis „Brücke Berlin“ 2012, der dem Autor und dem Übersetzer verleihen wird, ist eine Anerkennung sowohl für die Originalgedichte als auch für die deutsche Übertragung Alexander Sitzmanns.
SK: Liebe Lidija, obwohl sie vielleicht ein Klischee erfüllt, würde ich Dir gerne folgende Frage stellen: Ist für Dich das Leben Dichtung oder die Dichtung Leben? Ob, wann und wie hast Du Veränderungen in Deinem Leben gespürt, als Du angefangen hast, es in Deine Verse einfließen zu lassen?
LD: Ich habe bereits in der Primärschule zu schreiben begonnen, mit zwölf habe ich für meine Gedichte mein erstes Buch, das ich „Sonnenuntergang“ nannte, selbst gebastelt; es besaß Umschlag, Vorderseite, Inhaltsangabe und mit Klebstoff zusammengeklebte Blätter. Nur meine Familie hat es gelesen. Mein erstes Gedicht wurde in der Jugendzeitschrift „Naš svet“ (Unsere Welt) veröffentlicht, als ich in die fünfte Klasse ging, und dann haben meine Lehrer begriffen, dass es mir mit dem Schreiben „ernst“ ist. Meine beste Freundin Vale schrieb eines Tages an die Tafel: Lidija = Poet. Vor anderen war es mir immer ein bisschen „unangenehm“, dass ich eine Dichterin bin, aber in mir spürte und wusste ich, dass ich eine bin. Und ich weiß nicht, wer wen auswählte, ich die Dichtung oder sie mich. Auf jeden Fall war es eine schicksalhafte Begegnung.
Ich glaube, meine literarischen Anfänge waren ziemlich klassisch. Es folgte der erste Gedichtband und der erste große Literaturpreis – für ein Debüt – und danach kam alles andere. Mein Leben hat sich nicht der Literatur wegen verändert, weil die Literatur, seit ich denken kann, ein Teil meines Lebens war, aber ich kann sagen, dass das Leben mit allen Erfahrungen, die ich gemacht habe, sei es als Migrantin, existentiell, soziopolitisch oder emotional, vieles in meiner Literatur verändert hat. Zunächst lyrisch und metaphorisch, wurde meine Dichtung immer narrativer und metonymischer, all das, was mein poetisches Wesen berührte, wurde ein Teil meiner Dichtung, die Grenze zwischen jenem a priori Poetischen und jenem a priori Nichtpoetischen verwischte, und das Leben mit seiner ganzen Komplexität nistete sich in meiner Literatur ein.

SK: Wenn du dich von einem Nagelknipser inspirieren lassen kannst, der, egal wie absurd das klingen mag, eine Familie zusammenbringt und trennt, dann kannst du über alles ein Gedicht schreiben. Ich finde, die Botschaft deiner Gedichte liegt im Verborgenen, ist aber sehr mächtig. Wie sieht der Prozess aus, durch den ein Gedicht entsteht? Vom reinen Gedanken über den Ausdruck bis zur endgültigen Form und Botschaft?
LD: Ich schreibe sehr fragmentiert, in Notizbüchern, Heften, Blocks, auf Zettelchen schreibe ich Verse, Gedanken, Notizen auf, alles was mir einfällt oder meine Seele berührt. Ich habe eine Schublade speziell dafür, und wenn ich spüre, dass der große Tag gekommen ist, an dem ich ein Gedicht schreiben werde, öffnet sich mir jenes Geschriebene, das dem Augenblick gehört, als wäre es der schicksalhafte Schlüssel zu meinem gesamten Wesen. Dann setze ich mich hin und schreibe das gesamte Gedicht nieder. In diesen Augenblicken empfinde ich eine überirdische Macht, Freude, Energie, als ob ich ganz und gar mit einem Teil des Universums, in dem gerade ein Gedicht entsteht, zusammenwachsen würde. Zurzeit schreibe ich auf ebendiese Art und Weise an meinem neuen Roman „Ersatzleben“.
SK: Erwartet der Dichter ein Feedback von dem Geschriebenen, das er in die Literaturwelt lanciert? Gibt es Augenblicke der Verzweiflung und, wenn ja, wie kommen diese zum Ausdruck?
LD: Verzweiflung und Freude sind im Prozess des Schaffens untrennbar miteinander verbunden, und später hängen sie von anderen, vor allem äußeren Faktoren ab: Verlegern, Übersetzern, Buchhändlern, Literaturveranstaltern usw. Leider hängt es auch von ihnen ab, ob das Buch seine Leser findet oder nicht. Die größte Anerkennung für die gesammelten Gedichte in deutscher Übersetzung, die im Gedichtband „Anständiges Mädchen“ (Edition Korrespondenzen, Wien 2010) erschienen sind, ist selbstverständlich die Nominierung für den Preis „Brücke Berlin“ - ein Gipfel der literarischen Anerkennung, den jeder osteuropäische Buchautor anstrebt, dessen Buch ins Deutsche übersetzt wurde.
SK: Glaubst Du, wenn Du aus einem anderen Land und Sprachgebiet kämest, wäre es leichter und einfacher, Deine Poesie den Lesern weltweit näher zu bringen?
LD: Die makedonische Literatur hat es schwer, weltweit Verbreitung zu finden, nach wie vor gilt sie als unbekannt, klein und exotisch, aber wiederum nicht als exotisch genug, um große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Deswegen ist jeder Versuch, ein Teilchen makedonischer Literatur in der Welt bekannt zu machen, begrüßenswert. Erst im Alter von knapp dreißig Jahren veröffentlichte ich etwas außerhalb Makedoniens, und das ist auch bei einigen anderen makedonischen Autoren der Fall. Mir persönlich bedeutet es sehr viel, dass die Sachen, die ich schreibe, bei jemandem ankommen, neue Fragen eröffnen, eine andere Antwort anbieten. Manchmal wünsche ich mir, die Literatur könnte die Welt verändern, was sehr illusorisch ist, aber die Anerkennung Anderer ist eine kleine Bestätigung dafür, dass sich inzwischen doch etwas verändert hat oder sich verändern wird. Die Begegnungen mit neuen Lesern auf den Festivals weltweit sind eine wunderbare Bestätigung dafür, dass auch die makedonische Literatur der Welt etwas zu bieten hat.

SK: Welche Dichter und Dichterinnen haben Dich inspiriert? Ist es möglich, Lieblingsgedichte in der eigenen Lyrik zu haben? Wenn ja, welche sind deine?
LD: Meine Lieblingsdichterin ist Marina Zwetajewa. Von ihr habe ich grundsätzlich gelernt, ich selbst zu sein, im vollen Sinne des Wortes. Für mich ist Marina Zwetajewa mehr als eine Dichterin, sie ist Gewissen, Spiegel, Geschichte, Schicksal für mich. Bibel und Kissen, Ikone und untrennbarer Teil meiner Selbst und meines Wesens. Viele Jahre schon träume ich davon, nach Russland zu reisen, um alle „ihre“ Orte zu berühren.
Die anderen Dichter mag ich als Dichter, als Schöpfer außergewöhnlicher Werke, was nicht weniger wichtig ist. Es sind zu viele, um sie aufzuzählen.
Von der eigenen Lyrik ist es schwierig Lieblingsgedichte zu haben, ich nehme an, es sind diejenigen, die ich immer gerne vorlese: „Poem des Anfangs“, „Unterschied“, „Wände“ und andere.
SK: Welche Gefühle weckte bei Dir und welche Wirkung hatte auf Dich die Nominierung für den Preis „Brücke Berlin“, der nicht nur den Autor, sondern auch seinen Übersetzer würdigt? Die Konkurrenz war stark, Dein lyrisches Werk wetteiferte mit vier ausgezeichneten osteuropäischen Prosawerken. Auch wenn Du den Preis nicht bekommen hast, ist es nicht eine Ehre und ein Schritt nach vorne, dass Dein Buch der erste Lyrikband ist, der jemals nominiert wurde?
LD: Die Nominierung war für mich genauso wichtig wie der Preis. Mich in Gesellschaft so großer Namen der osteuropäischen Literatur zu finden, eigentlich alles Lieblingsautoren von mir, Mircea Cartarescu, Péter Nádas, Bora Cosic und Juri Andruchowytsch und ihrer hervorragenden Romane, selbstverständlich ist das mehr als eine Nominierung, eher ein Preis. Insbesondere auch deswegen, weil mein Buch das einzige lyrische Werk war. Aber diese Nominierung würdigt nicht nur den Autor, sondern auch den Übersetzer. Alexander Sitzmann, der ein außerordentlich guter Übersetzer aus dem Makedonischen ist, hat es geschafft, in die Gesellschaft der besten deutschen Übersetzer aus den osteuropäischen Sprachen zu gelangen. Allein dadurch, dass die Jury unser Buch nominierte, hat sie uns große Anerkennung ausgesprochen.
SK: Deine Gedichte haben auch Prosamerkmale, aber dennoch ist „Versteckte Kamera“ Dein eigentliches Prosawerk. Hat es den Erfolg Deiner Lyrik erreicht? Woran schreibst Du gerade, oder was überlegst zu schreiben? Was können wir bald von Dir erwarten?
LD: „Versteckte Kamera“ wurde bisher ins Slowenische, Polnische, Slowakische und Bulgarische übersetzt und längere Ausschnitte des Romans auch ins Deutsche, Englische und Rumänische. In Makedonien hat der Roman den „Stole Popov“-Preis für Prosa/ für ein Prosawerk des Makedonischen Schriftstellerverbands bekommen und war in der engen Auswahl für den Literaturpreis des Utrinski Vesnik. Der regisseur Tomislav Aleksov schreibt gerade am Drehbuch für die Verfilmung des Romans, und wird auch die Regie übernehmen. All das ist ein sehr großer Erfolg für mich. Ich glaube, der Roman hat mehr Leser gefunden als meine Poesie. Bald erscheint mein zweiter Roman „Ersatzleben“ (Резервен живот), an dem ich gerade intensiv arbeite.
SK: Findest Du Zeit zum Übersetzen?
LD: Ja, obwohl nicht so viel, wie ich das selber gerne möchte. Ich übersetze slowenische und rumänische Literatur ins Makedonische. Dieses und nächstes Jahr stehen mir interessante Übersetzungen bevor, der hervorragende Roman „Nekropolis“ des slowenischen Schriftstellers – nominiert für den Nobelpreis – Boris Pahor, der Erzählband „Saj razumeš?“ (Verstehst du nicht?) des slowenischen Autors Andrej Blatnik und der fiktionale Reiseführer durch Bukarest und Erzählband „Imaginäre Begebenheiten auf den Straßen von Bukarest“ des rumänischen Autors Constantin Abalutsa.
SK: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin!
Das Interview für SlovoKult führte Elizabeta Lindner
© SlovoKult.de

Lidija Dimkovska
Lidija Dimkovska ist Dichterin, Schriftstellerin und Übersetzerin. 2001, nach der Veröffentlichung des Gedichtbands „Nobel gegen Nobel“ hat sie sich als Schriftstellern etabliert, nahm mit ihrer Lyrik an zahlreichen Poesiefestivals weltweit teil, was für die Qualität ihres poetischen Ausdrucks spricht.
Die Nominierung des Gedichtbands „Anständiges Mädchen“, erschienen 2010 im Verlag Edition Korrespondenzen in Wien, für den Literatur- und Übersetzerpreis „Brücke Berlin“ 2012, der dem Autor und dem Übersetzer verleihen wird, ist eine Anerkennung sowohl für die Originalgedichte als auch für die deutsche Übertragung Alexander Sitzmanns.
SK: Liebe Lidija, obwohl sie vielleicht ein Klischee erfüllt, würde ich Dir gerne folgende Frage stellen: Ist für Dich das Leben Dichtung oder die Dichtung Leben? Ob, wann und wie hast Du Veränderungen in Deinem Leben gespürt, als Du angefangen hast, es in Deine Verse einfließen zu lassen?
LD: Ich habe bereits in der Primärschule zu schreiben begonnen, mit zwölf habe ich für meine Gedichte mein erstes Buch, das ich „Sonnenuntergang“ nannte, selbst gebastelt; es besaß Umschlag, Vorderseite, Inhaltsangabe und mit Klebstoff zusammengeklebte Blätter. Nur meine Familie hat es gelesen. Mein erstes Gedicht wurde in der Jugendzeitschrift „Naš svet“ (Unsere Welt) veröffentlicht, als ich in die fünfte Klasse ging, und dann haben meine Lehrer begriffen, dass es mir mit dem Schreiben „ernst“ ist. Meine beste Freundin Vale schrieb eines Tages an die Tafel: Lidija = Poet. Vor anderen war es mir immer ein bisschen „unangenehm“, dass ich eine Dichterin bin, aber in mir spürte und wusste ich, dass ich eine bin. Und ich weiß nicht, wer wen auswählte, ich die Dichtung oder sie mich. Auf jeden Fall war es eine schicksalhafte Begegnung.
Ich glaube, meine literarischen Anfänge waren ziemlich klassisch. Es folgte der erste Gedichtband und der erste große Literaturpreis – für ein Debüt – und danach kam alles andere. Mein Leben hat sich nicht der Literatur wegen verändert, weil die Literatur, seit ich denken kann, ein Teil meines Lebens war, aber ich kann sagen, dass das Leben mit allen Erfahrungen, die ich gemacht habe, sei es als Migrantin, existentiell, soziopolitisch oder emotional, vieles in meiner Literatur verändert hat. Zunächst lyrisch und metaphorisch, wurde meine Dichtung immer narrativer und metonymischer, all das, was mein poetisches Wesen berührte, wurde ein Teil meiner Dichtung, die Grenze zwischen jenem a priori Poetischen und jenem a priori Nichtpoetischen verwischte, und das Leben mit seiner ganzen Komplexität nistete sich in meiner Literatur ein.

SK: Wenn du dich von einem Nagelknipser inspirieren lassen kannst, der, egal wie absurd das klingen mag, eine Familie zusammenbringt und trennt, dann kannst du über alles ein Gedicht schreiben. Ich finde, die Botschaft deiner Gedichte liegt im Verborgenen, ist aber sehr mächtig. Wie sieht der Prozess aus, durch den ein Gedicht entsteht? Vom reinen Gedanken über den Ausdruck bis zur endgültigen Form und Botschaft?
LD: Ich schreibe sehr fragmentiert, in Notizbüchern, Heften, Blocks, auf Zettelchen schreibe ich Verse, Gedanken, Notizen auf, alles was mir einfällt oder meine Seele berührt. Ich habe eine Schublade speziell dafür, und wenn ich spüre, dass der große Tag gekommen ist, an dem ich ein Gedicht schreiben werde, öffnet sich mir jenes Geschriebene, das dem Augenblick gehört, als wäre es der schicksalhafte Schlüssel zu meinem gesamten Wesen. Dann setze ich mich hin und schreibe das gesamte Gedicht nieder. In diesen Augenblicken empfinde ich eine überirdische Macht, Freude, Energie, als ob ich ganz und gar mit einem Teil des Universums, in dem gerade ein Gedicht entsteht, zusammenwachsen würde. Zurzeit schreibe ich auf ebendiese Art und Weise an meinem neuen Roman „Ersatzleben“.
SK: Erwartet der Dichter ein Feedback von dem Geschriebenen, das er in die Literaturwelt lanciert? Gibt es Augenblicke der Verzweiflung und, wenn ja, wie kommen diese zum Ausdruck?
LD: Verzweiflung und Freude sind im Prozess des Schaffens untrennbar miteinander verbunden, und später hängen sie von anderen, vor allem äußeren Faktoren ab: Verlegern, Übersetzern, Buchhändlern, Literaturveranstaltern usw. Leider hängt es auch von ihnen ab, ob das Buch seine Leser findet oder nicht. Die größte Anerkennung für die gesammelten Gedichte in deutscher Übersetzung, die im Gedichtband „Anständiges Mädchen“ (Edition Korrespondenzen, Wien 2010) erschienen sind, ist selbstverständlich die Nominierung für den Preis „Brücke Berlin“ - ein Gipfel der literarischen Anerkennung, den jeder osteuropäische Buchautor anstrebt, dessen Buch ins Deutsche übersetzt wurde.
SK: Glaubst Du, wenn Du aus einem anderen Land und Sprachgebiet kämest, wäre es leichter und einfacher, Deine Poesie den Lesern weltweit näher zu bringen?
LD: Die makedonische Literatur hat es schwer, weltweit Verbreitung zu finden, nach wie vor gilt sie als unbekannt, klein und exotisch, aber wiederum nicht als exotisch genug, um große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Deswegen ist jeder Versuch, ein Teilchen makedonischer Literatur in der Welt bekannt zu machen, begrüßenswert. Erst im Alter von knapp dreißig Jahren veröffentlichte ich etwas außerhalb Makedoniens, und das ist auch bei einigen anderen makedonischen Autoren der Fall. Mir persönlich bedeutet es sehr viel, dass die Sachen, die ich schreibe, bei jemandem ankommen, neue Fragen eröffnen, eine andere Antwort anbieten. Manchmal wünsche ich mir, die Literatur könnte die Welt verändern, was sehr illusorisch ist, aber die Anerkennung Anderer ist eine kleine Bestätigung dafür, dass sich inzwischen doch etwas verändert hat oder sich verändern wird. Die Begegnungen mit neuen Lesern auf den Festivals weltweit sind eine wunderbare Bestätigung dafür, dass auch die makedonische Literatur der Welt etwas zu bieten hat.

SK: Welche Dichter und Dichterinnen haben Dich inspiriert? Ist es möglich, Lieblingsgedichte in der eigenen Lyrik zu haben? Wenn ja, welche sind deine?
LD: Meine Lieblingsdichterin ist Marina Zwetajewa. Von ihr habe ich grundsätzlich gelernt, ich selbst zu sein, im vollen Sinne des Wortes. Für mich ist Marina Zwetajewa mehr als eine Dichterin, sie ist Gewissen, Spiegel, Geschichte, Schicksal für mich. Bibel und Kissen, Ikone und untrennbarer Teil meiner Selbst und meines Wesens. Viele Jahre schon träume ich davon, nach Russland zu reisen, um alle „ihre“ Orte zu berühren.
Die anderen Dichter mag ich als Dichter, als Schöpfer außergewöhnlicher Werke, was nicht weniger wichtig ist. Es sind zu viele, um sie aufzuzählen.
Von der eigenen Lyrik ist es schwierig Lieblingsgedichte zu haben, ich nehme an, es sind diejenigen, die ich immer gerne vorlese: „Poem des Anfangs“, „Unterschied“, „Wände“ und andere.
SK: Welche Gefühle weckte bei Dir und welche Wirkung hatte auf Dich die Nominierung für den Preis „Brücke Berlin“, der nicht nur den Autor, sondern auch seinen Übersetzer würdigt? Die Konkurrenz war stark, Dein lyrisches Werk wetteiferte mit vier ausgezeichneten osteuropäischen Prosawerken. Auch wenn Du den Preis nicht bekommen hast, ist es nicht eine Ehre und ein Schritt nach vorne, dass Dein Buch der erste Lyrikband ist, der jemals nominiert wurde?
LD: Die Nominierung war für mich genauso wichtig wie der Preis. Mich in Gesellschaft so großer Namen der osteuropäischen Literatur zu finden, eigentlich alles Lieblingsautoren von mir, Mircea Cartarescu, Péter Nádas, Bora Cosic und Juri Andruchowytsch und ihrer hervorragenden Romane, selbstverständlich ist das mehr als eine Nominierung, eher ein Preis. Insbesondere auch deswegen, weil mein Buch das einzige lyrische Werk war. Aber diese Nominierung würdigt nicht nur den Autor, sondern auch den Übersetzer. Alexander Sitzmann, der ein außerordentlich guter Übersetzer aus dem Makedonischen ist, hat es geschafft, in die Gesellschaft der besten deutschen Übersetzer aus den osteuropäischen Sprachen zu gelangen. Allein dadurch, dass die Jury unser Buch nominierte, hat sie uns große Anerkennung ausgesprochen.
SK: Deine Gedichte haben auch Prosamerkmale, aber dennoch ist „Versteckte Kamera“ Dein eigentliches Prosawerk. Hat es den Erfolg Deiner Lyrik erreicht? Woran schreibst Du gerade, oder was überlegst zu schreiben? Was können wir bald von Dir erwarten?
LD: „Versteckte Kamera“ wurde bisher ins Slowenische, Polnische, Slowakische und Bulgarische übersetzt und längere Ausschnitte des Romans auch ins Deutsche, Englische und Rumänische. In Makedonien hat der Roman den „Stole Popov“-Preis für Prosa/ für ein Prosawerk des Makedonischen Schriftstellerverbands bekommen und war in der engen Auswahl für den Literaturpreis des Utrinski Vesnik. Der regisseur Tomislav Aleksov schreibt gerade am Drehbuch für die Verfilmung des Romans, und wird auch die Regie übernehmen. All das ist ein sehr großer Erfolg für mich. Ich glaube, der Roman hat mehr Leser gefunden als meine Poesie. Bald erscheint mein zweiter Roman „Ersatzleben“ (Резервен живот), an dem ich gerade intensiv arbeite.
SK: Findest Du Zeit zum Übersetzen?
LD: Ja, obwohl nicht so viel, wie ich das selber gerne möchte. Ich übersetze slowenische und rumänische Literatur ins Makedonische. Dieses und nächstes Jahr stehen mir interessante Übersetzungen bevor, der hervorragende Roman „Nekropolis“ des slowenischen Schriftstellers – nominiert für den Nobelpreis – Boris Pahor, der Erzählband „Saj razumeš?“ (Verstehst du nicht?) des slowenischen Autors Andrej Blatnik und der fiktionale Reiseführer durch Bukarest und Erzählband „Imaginäre Begebenheiten auf den Straßen von Bukarest“ des rumänischen Autors Constantin Abalutsa.
SK: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin!
Das Interview für SlovoKult führte Elizabeta Lindner
© SlovoKult.de